Interview

„Die Freiheit, aufzubrechen, wohin ich will und wann ich will.“ (Birgit Hoffmann)

Birgit HoffmannDie Diplombetriebswirtin Birgit Hoffmann ist seit 2006 bei der Evangelischen Stiftung Pflege Schönau tätig. Der Stiftungszweck besteht im Wesentlichen darin, kirchliches Bauen zu finanzieren und Besoldungsbeiträge für Pfarrstellen zu erwirtschaften. Birgit Hoffmann hat dort zu Beginn ihrer Tätigkeit ein Umweltmanagementsystem aufgebaut. Seitdem ist die Stiftung auch nach dem Grünen Gockel, einem Umweltsignet der Evangelischen Landeskirche, zertifiziert. Als Umweltmanagementbeauftragte hat sie das Projekt auch außerhalb der Zertifizierungsphase weiter betreut.

Ein weiterer Arbeitsbereich ist das Controlling, wo sie sich um Berichtswesen, Wirtschaftsplanung sowie Kostenrechnung kümmert. Im Prinzip laufen bei ihr also alle Fachbereiche zusammen: Bauunterhaltung, Erbbau und Pacht, die Verwaltung und Vermietung von Immobilien sowie die Bewirtschaftung eines eigenen Forstes.

2013 wurde die Stiftung von dem Heidelberger Projekt „Nachhaltiges Wirtschaften“ ausgezeichnet.

 

Gutes Leben – was heißt das für Sie persönlich?

Da fällt mir ganz spontan der Buchtitel von Reinhold Messner ein: „Die Freiheit, aufzubrechen, wohin ich will“, und ich ergänze: „und wann ich will.“ In der Natur unterwegs zu sein und dabei die Sinne auf das Wesentliche zu reduzieren – das bedeutet für mich gutes Leben.

Mein persönlicher Anspruch, ob unterwegs oder zu Hause: Es muss nicht immer alles sein, was zur Verfügung steht. Es gibt da ja immer viele Verlockungen, aber ich profitiere davon, alles aufs Wesentliche zu beschränken. Das gibt mir Freiheit – daher auch das Messner-Zitat. Diese Freiheit ist ein Luxus einer ganz anderen Qualität, aber für mich eben ganz wichtig.

Was bedeutet Suffizienz für Sie und fällt Ihnen ein Sinnbild ein, mit dem Sie das verdeutlichen können?

Bei Suffizienz geht es ja darum, nur das zu verbrauchen, was unbedingt nötig ist, den Konsum also auf das Wesentliche zu reduzieren, z.B. den Energiebedarf. Ein Beispiel habe ich bei meiner täglichen Arbeit stets vor Augen: die Bewirtschaftung unseres Forstes. Der Begriff „Nachhaltigkeit“ stammt ja aus der Forstwirtschaft: Es wird nur so viel entnommen, wie nachwächst. Und das setzt unsere Stiftung seit ihrer Gründung vor über 450 Jahren so um.

Wenn Suffizienz ein Getränk wäre, welches wäre es für Sie und warum?

Das wäre für mich ganz klar die frische Buttermilch, die ich Ende August auf der hinteren Gemstelalpe auf 1400Meter Höhe im Kleinwalsertal getrunken habe. Die Milch stammt von den Kühen der dortigen Alpe. Das hat einfach großartig geschmeckt! Und der Genuss eines landwirtschaftlichen Produkts – dieser Buttermilch eben – verbindet mich dann wieder mit meinem Berufsalltag insofern, als die Pflege Schönau eben auch landwirtschaftliche Flächen besitzt.

Auf einer Skala von 0 bis 10: Für wie suffizient halten Sie ihren aktuellen Lebensstil in Bezug auf die Lebensbereiche „Konsum“, „Ernährung“, „Unterwegs“ und „Zuhause“?


Beim Konsum sehe ich mich bei 9; ich achte immer auf Suffizienz, wenn ich konsumiere. Wenn’s ein neuer Fernseher sein muss, dann soll er auch die höchste Energieeffizienzklasse erfüllen. Ich versuche insgesamt, auf einen suffizienten Lebensstil zu achten. Ich bin ja Umweltmanagementbeauftragte der Stiftung, und das wirkt sich nicht nur beruflich, sondern auch privat aus. Das Umweltmanagement haben wir jetzt seit acht Jahren; und meine Lebensweise hat sich dadurch stark verändert.

Bei der Ernährung würde ich mich bei der 8 einstufen. Ich achte sehr auf Ernährung, gehe gerne im Biosupermarkt einkaufen und esse wenig Fleisch. Es gibt im Fernsehen so viele interessante Berichte zum Beispiel zum Thema Fleischkonsum und Tierhaltung. Ich könnte nicht mehr das abgepackte Hähnchen vom Billigdiscounter kaufen, das brächte ich gar nicht mehr hinunter. Ich gebe für ein gutes Stück Fleisch lieber mal ein bisschen mehr aus und weiß dann vielleicht auch, wo es herkommt. Worauf ich auch achte: Ich kaufe immer nur so viel ein, wie ich wirklich brauche. Also weggeworfen wird bei mir eigentlich überhaupt nichts.

Beim Punkt „Unterwegs“ gebe ich mir eine 7. Warum? Weil man das vorhandene Angebot eben nicht immer beeinflussen kann. Oft muss man die Gegebenheiten vor Ort einfach hinnehmen, etwa wenn man auf einer Berghütte nur Plastikgeschirr angeboten bekommt. Wenn man solche Dinge aber beeinflussen kann, dann versuche ich das. In den Urlaub fahre ich möglichst mit der Bahn oder ich bilde Fahrgemeinschaften. Oft komme ich auch mit dem Fahrrad zur Arbeit, sofern es das Wetter zulässt.

Auch bei „Zuhause“ gibt es eine 9. Bei mir brennt nicht unnötig das Licht, – selbst wenn ich zu Hause bin, lasse ich es meist aus. Ich kontrolliere meinen Energieverbrauch auch, lese regelmäßig den Zähler ab. Die Pflanzen auf meiner Dachterrasse kaufe ich regional ein und verwende die beste Erde. Ich finde den Bereich „Zuhause“ noch am einfachsten; da kann ich mein Handeln im Prinzip ja am besten steuern.

Gibt es äußere Einflüsse, die Ihnen eine suffiziente Lebensweise erschweren?

Zum Teil habe ich es ja schon angesprochen: Zu Hause gelingt es mir, wie gesagt, ganz gut. Aber unterwegs bin ich natürlich darauf angewiesen, was ich angeboten bekomme. Wenn mir Eingekauftes wie selbstverständlich in eine Plastiktüte gepackt wird etwa, oder die vielen überflüssigen Verpackungen insgesamt. Das sind so Dinge, die ich eben nicht immer beeinflussen kann.

Jetzt ist ein bisschen Ihre Fantasie gefragt:Angenommen, wir hätten keinen politischen Apparat, sondern eine Suffizienzfee. Was würden Sie sich persönlich als erstes von ihr wünschen?

Ich würde mir wünschen, dass die Menschen anfangen würden, sich auf ihre wesentlichen Bedürfnisse zu besinnen und dadurch den Verführungen der Konsumwelt besser zu widerstehen, anstatt ihre Ansprüche immer weiter nach oben zu schrauben. Natürlich wäre das auch ein Appell an mich selbst: dass man sich immer fragt: „Brauche ich das denn jetzt wirklich?“ Wir werden ja stark durch Werbung beeinflusst, die uns suggeriert, bestimmte Dinge zu brauchen. Da wird eben oft nicht mehr darüber nachgedacht, ob eine Sache wirklich sein muss. Wenn die Suffizienzfee da weltweit Zauberstaub versprühen könnte, fände ich das schön!

Nun vom Zauberstaub zur Realität: Was wäre der aus Ihrer Sicht nächste sinnvolle gesellschaftspolitische Schritt, den Sie sich erhoffen?

Das ist eine wirklich spannende Frage. Meiner Meinung nach ist vieles einfach eine Frage der guten Kommunikation. Wir müssen lernen, an einem Strang zu ziehen: regional, landesweit, auf Bundesebene und genauso dann auch europaweit und weltweit. Was meine ich damit? Dass wir gemeinsame Ziele definieren und diese unter Berücksichtigung der jeweiligen Möglichkeiten konsequent umsetzen. Es muss für eine effiziente Umsetzung einfach eine fundierte Basis da sein. Diese Ziele müssen dann auch von Experten aus Forschung und Wissenschaftnachhaltig überprüft werden.

 

Ich erinnere mich an die euphorische Stimmung beim Klimagipfel 1992 in Rio: Der CO2-Ausstoß, da müssen wir ran, das wurde damals zum ersten Mal so richtig bewusst. Bei den nachfolgenden Klimagipfeln verpuffte dieser Elan dann immer mehr; die Ergebnisse waren doch mager. Das ist unheimlich schade, denn die Hoffnungen waren ja sehr groß. Deshalb denke ich, dass erst einmal unsere Instrumente der Zusammenarbeit und der Kommunikation bei diesen verschiedenen Ebenen auf den Prüfstand müssen.

 Nächste Woche Im Interview: Torsten Kliesch (Ökostadt Rhein-Neckar)

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